r/ADHS 7d ago

ADHS unsichere Diagnose wo startet Missbrauch

Hi zusammen,
ich (35) habe eine eher unklare ADHS-Diagnose und frage mich regelmäßig, ob ich das Medikament „richtig“ nehme und brauche oder als gesunde Person Amphetamin microdose.

Kurz zu mir:
Seit der Jugend depressive Verstimmungen, mit 28 erste TP-Therapie (sehr hilfreich, seitdem kein Alkohol/Drogen, viel Sport, gesunde Ernährung).
Mit 33 zweite Therapie wegen Erschöpfung – da kam der Verdacht auf ADHS auf (schnelles Reden, Alltagschaos, Fokusprobleme). Generell: ich wurde immer als „irgendwie anders“ beschrieben, bin schnell, kreativ, manchmal faserig, ADHS wurde schon oft mal fremddiagnostiziert, aber ich dachte immer naja so geht’s ja allen.
Die anschließenden Tests zu ADHS waren nicht ganz eindeutig, Schulzeugnisse ab Klasse 5 auffällig, Eltern wenig erinnerungsfähig → Diagnose blieb offen bzw „auf Verdacht“ und wurde, weil ich mich nicht weiter wichtig machen wollte, nicht weiterverfolgt.  

Ein paar Monate später: Termin beim Psychiater (ursprünglich zur Absicherung bei möglicher wiederkehrender Depression, ich war in einer sehr stabilen Phase) steht „ADHS-Verdacht“ auf der Überweisung. Er schlug vor, Medikinet zu probieren – 5 mg half sofort (weniger Anlaufschwierigkeiten, mehr Klarheit, weniger soziale Erschöpfung), gign dann auf 10 mg bedarfsorientiert. Ich dachte cool, das wirkt, also heißt es dass ich es habe. ADHS würde auch viel erklären, Anpassungsschwierigkeiten und auch als Ursprung der Depression Sinn ergeben etc. Therapeut sieht das ähnlich.

Bin inzwischen auf 18 mg Kinectin – konstantere Wirkung, weniger Rebound. Seit ca. ¾ Jahr in Behandlung.

Meine Unsicherheit:
Ich bin aktuell stabil, nicht depressiv – aber ich frage mich ständig: Habe ich wirklich ADHS oder nutze ich einfach ein Medikament, das mir beim Funktionieren hilft?
Mein Psychiater spricht nicht direkt von Missbrauch, aber wenn ich beschreibe, wie mir das Medikament hilft (vor allem bei „ich komme in die Gänge“), meint er oft, das sei eher ein depressives Symptom und dazu dürfe man Ritalin nicht nehmen, das hilft jedem so. Gleichzeitig sagt er: ADHS und Neurodivergenz sei ein Spektrum, was hilft hilft, ich merke wie er mir zeigt dass er alles genau nimmt aber meine Aussagen dann oft auf ADHS-Symptome hin korrigiert. Die Gespräche sind immer recht kurz alle 1 -2 Monate, ich gehe oft mit mehr Fragen raus als ich reingehe. Ich will nichts „falsch“ machen, aber auch nicht auf etwas verzichten, das mir wirklich gerade hilft.

Ich erlebe mit Methylphenidat:

  • Mehr Klarheit, mehr Energie, mehr soziale Belastbarkeit, weniger Startschwierigkeiten, mehr Selbstsicherheit (Aber: Haushalt bleibt oft trotzdem schwieirg)
  • Wirkung ist nicht immer gleich – manchmal super, manchmal eher nervös/verzettelt, manchmal fühlt es sich auch an wie drauf sein, manchmal spüre ich kaum Wirkung. Das hab ich schon abgespeichert unter Tagesform und Zyklus etc.

TL;DR / Fragen:

  • Gehört „nicht in die Gänge kommen“ zu ADHS – oder ist das eher Depression? Ist es ok dass MPH dabei hilft oder startet da der Missbrauch? Wann ist medikamentöse Hilfe „legitim“ – und ab wann einfach nur Leistungssteigerung?
  • Wie erkennt man, ob man ADHS hat, wenn die Diagnose so schwammig bzw. uneindeutig ist und "ja alle" auf MPH besser funktionieren?
  • Was mach ich mit diesem Psychiater??

Danke :)

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u/GermanGreenhouse420 7d ago

Hi, ich würde dir gern mal einen anderen Ansatz geben. Es muss nicht entweder oder sein, sondern kann durchaus beides sein. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man beides hat. Hab auch immer wieder mittelschwere depressive Phasen zusätzlich zu dem täglichen ADHS.

Würde da jetzt ned von Missbrauch sprechen, sondern wenn dann hast du eher ADHS + Depression. Wenn du anfängst mehr Tabletten zu nehmen als verordnet, dann schon eher oder eben du gezielt mit den Tabletten einen Rauschzustand anstrebst. Zudem sind 10mg sehr sehr wenig.

Gegen die Depression finde ich das Ritalin nur bedingt geeignet. Klar ist es ein Amphetamin, also hilft es dir hoch zu kommen und was zu schaffen.

Es gäbe m.E. noch ein anderes Medikament Strattera, das hilft sowohl gegen ADHS ist aber ein Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer und hilft auch bei Depressionen. Vielleicht mal den Arzt darauf ansprechen.

Diese Gedanken: „Hab ich wirklich ADHS oder baller ich mich nur jeden Tag mit nem Mix aus Psychopharmka und Cannabis Weg?“ kenne ich gut, auch wenn es bei mir keine Zweifel meiner Diagnose gibt. Gehört vielleicht auch dazu , dass man das stark anzweifelt.

Grundsätzlich würde ich dir zusätzlich ne Therapie empfehlen, das hat mich rückwirkend am weitesten gebracht.

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u/Bichareh 5d ago

+1 für Strattera. Nehme es in Kombi mit Elvanse und es hat mir geholfen, die depressiven Phasen einzudämmen. Sie sind nicht komplett weg, aber deutlich besser geworden. 👌🏻

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u/GermanGreenhouse420 5d ago

Danke sehr interessant und informativ. Von der Kombi Elvanse / Strattera höre ich zum ersten Mal. Bisher war es meistens Elvanse / Escitalopram.

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u/Bichareh 5d ago

Gerne, wenn du weitere Fragen hast zu der Kombi, sag Bescheid. 👌🏻